H einrich-Böll-Verfilmung über eine rheinische Architektenfamilie:
Am 80. Geburtstag des Familienoberhaupts Heinrich Fähmel treffen sich 1956 die drei Generationen der deutschen Architektenfamilie in Köln. In Rückblenden wird ihre Geschichte erzählt:
Sohn Robert geriet in eine antifaschistische Verschwörung und floh vor den Nazis nach Holland.
Nestlinger, der ihn denunzierte, stieg nach dem Krieg zum Minister auf.
Roberts geistig verwirrte Mutter Johanna zielt am Tag des Geburtstags ihres Mannes während einer Demonstration mit einer Pistole auf Nestlinger, der mit dem Schrecken davon kommt.

Schwer verdaulich

"Nicht versöhnt" ist ein deutscher Spielfilm aus dem Jahr 1965 von Jean-Marie Straub nach dem Roman "Billard um halb zehn" (1959) von Heinrich Böll. Der Untertitel des Films lautet "Es hilft nur Gewalt, wo Gewalt herrscht" und nimmt damit ein Motto der Studentenrevolte der 68er vorweg: "Macht kaputt, was Euch kaputt macht".

Die Filmemacher springen in der Chronologie von Heinrich Bölls Roman nur so umher, von der Kaiser-Autokratie zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis hin zum Wirt­schafts­wunder der 1950er Adenauer-Zeit - und das in weniger als einer Stunde Gesamtlänge des Films. Dabei versuchen sie, die Wurzeln des Nazismus in der bürgerlichen, deutschen Familie aufzudecken.
Für Zuschauer ist das schwer verdaulich, Filmkritiker reagierten bei der Erst­auf­führung 1965 in Berlin mit Hohn und Spott:

Filmkritik

• Haarsträubend dilettantisch.
Der Tagesspiegel

• Die etwa 250 im Kino versammelten Leute hatten die Sternstunde des Films offenbar nicht erkannt: sie lachten.
Der Spiegel

• Straub hat seinen Film so inszeniert, daß der Zuschauer gezwungen wird, Handlungselemente zu ergänzen, Situationen auszumalen, den Film gleichsam erst im eigenen Bewusstsein fertigzustellen. Das macht freilich das Verständnis schwierig.
Reclams Filmführer

• Die strenge, an Brechts Verfremdungstheorie geschulte Ästhetik des Filmemacher-Paares Straub/Huillet macht es dem Zuschauer nicht immer leicht.
Lexikon des Internationalen Films

Bewertung:   6,5/10  IMDb

Dreharbeiten

Die Drehorte für "Nicht versöhnt" waren Köln, München, die Abtei Siegburg und die Abtei Maria Laach in der Vulkaneifel.
Jean-Marie Straub erschien mit einem Rohentwurf für das „Billard“-Drehbuch bei Böll und überzeugte ihn zunächst vom Projekt einer Verfilmung. Mit den ersten Probe­aufnahmen stieß er dagegen auf wenig Gegenliebe bei Verlag und Autor. Verleger Witsch beurteilte das Filmfragment als „dilettantisch und laienhaft“.

Schräge Vögel, schräge Filme

Nachfolgend sank die Stimmung zwischen den Parteien rapide; Straub wirkte arrogant und wurde wortbrüchig. Er soll mehrfach mit Selbstmord gedroht haben soll (Künstler!), wenn man sich seinen künstlerischen Vorstellungen nicht fügen würde.

Beinahe eine One-Man-Show: Jean-Marie Straub übernahm die Regie (zusammen mit seiner Partnerin Danièle Huillet), das Drehbuch und den Schnitt. Er ließ durchweg schauspielerische Laien auftreten, darunter den Kölner Fotografen Chargesheimer und dessen Vater. Diese mussten ihre Dialoge tonlos wie beim Diktat vortragen, als wären sie an ihrem Schicksal seltsam unbeteiligt.

Das Paar Straub-Huillet hat über vier Jahrzehnte gemeinsam Filme produziert, die meist in die Kategorie "Publikums-Gift" fallen und - von einigen wenigen freundlichen Kritikern - als "experimentell" bezeichnet werden. Nicht nur die Filme, sondern auch ihre Produzenten galten als "schräg":
Anlässlich der Verleihung eines Sonderpreises beim Filmfestival Venedig ließen die beiden in Abwesenheit eine Erklärung verlesen. Darin hieß es, solange es den amerikanischen imperialistischen Kapitalismus gebe, könne es nie genug Terroristen in der Welt geben.

Der Autor

Heinrich Theodor Böll wurde am 21. Dezember 1917 in Köln geboren und starb am 16. Juli 1985 in Kreuzau-Langenbroich in der Eifel. Er gilt als einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller der Nachkriegszeit und erhielt 1972 den Nobelpreis für Literatur. In seinen Romanen, Kurzgeschichten, Hörspielen und zahlreichen politischen Essays setzte er sich kritisch mit der jungen Bundesrepublik auseinander. Darüber hinaus arbeitete er gemeinsam mit seiner Frau Annemarie Böll als Übersetzer englischsprachiger Werke ins Deutsche und als Herausgeber.

Eine ganze Reihe seiner Romane wurden verfilmt, darunter auch sein bekanntestes - und meistverkaufte - Werk "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" 1975 durch Volker Schlöndorff.

Heinrich Böll und die Eifel

Seinen Hauptwohnsitz hält Böll von 1969 bis 1982 in der Hülchrather Straße 7 im Kölner Agnesviertel, aber bereits in den frühen sechziger Jahren erwirbt er ein Sommerhaus in Kreuzau, unweit des Hürtgenwalds in der Rureifel.
In der denkmalgeschützte Hofanlage aus dem 17. Jahrhundert findet der Dichter die notwendige Ruhe für die Arbeit an seinen Romanen und – meist gemeinsam mit seiner Ehefrau Annemarie Böll – Übersetzungen.

Aufgrund seiner, nun ja, ambivalenten Haltung zum Terror der sogenannten "Rote-Armee-Fraktion" (RAF), gab es Gerüchte, dass gesuchte RAF-Mitglieder bei Heinrich Böll Unterschlupf finden könnten. Es folgte am 1. Juni 1972 eine polizeiliche Hausdurchsuchung, die den Verdacht nicht erhärten konnte.
Berühmt wurde das Haus außerdem im Februar 1974, als sich der russische Dichter Alexander Solschenizyn nach seiner Ausbürgerung aus der Sowjetunion hierher zurückziehen konnte.
Unter der Bezeichnung "Heinrich-Böll-Haus" dient die Anlage seit 1991 als Zufluchtsstätte und Stipendiatenhaus für Autoren und Künstler aus aller Welt.


*** Abtei Maria Laach ***

Die Benediktinerabtei Maria Laach ist eine hochmittelalterliche Klosteranlage, pittoresk an der Südwestseite des Laacher Sees gelegen (Landkreis Ahrweiler).
Sie wurde zwischen 1093 und 1216 als Stiftung Heinrichs II. von Laach und seiner Frau Adelheid erbaut. Ihren heutigen Namen erhielt sie im Jahre 1863.
Die Abteikirche ist eines der am besten erhaltenen romanischen Bauwerke Deutschlands. Sie ist von späteren Umbauten fast völlig verschont geblieben ist und gilt heute - begründet durch Architektur und Lage - als eine der bekanntesten Touristenattraktionen in Rheinland-Pfalz.
Die Mönche haben sich als durchaus geschäftstüchtig erwiesen: Sie betreiben einen Biobauernhof mit angeschlossenem Bioladen, eine Reihe touristischer Einrichtungen am Laacher See (Campingplatz, Bootsverleih und Fischfang), das renommierte Seehotel, eine große Gärtnerei mit Obstgarten, einen Buch- und ein Kunstverlag, eine Bildhauerwerkstatt sowie diverse Handwerksbetriebe.

Was brodelt denn da?

Obwohl der Laacher See oft als „das größte Maar der Vulkaneifel“ bezeichnet wird, ist er geologisch gesehen eine wassergefüllte Caldera (die einzige in Mitteleuropa) – ein mehr oder weniger kreisrundes Becken, das durch das Absacken der Decke der entleerten Magmakammer unterhalb des Vulkans entstanden ist. Im Laufe der Zeit kann sich ein solcher Kessel mit Wasser füllen.

Der letzte Ausbruch des Vulkans fand etwa im Jahr 10.930 v. Chr. statt, die älteren unter den Lesern werden sich noch erinnern. Er dauerte nur wenige Tage, schleuderte dabei aber soviel vulkanische Asche und Bims aus, dass die Gegend bis ins Rheintal mit einer bis zu sieben Meter dicken Schicht bedeckt wurde.

Bewertung:   4,6/5  Tripadvisor

Familiendrama •
experimenteller Film

Straub-Huillet
Production 1965


Regie: Jean-Marie Straub
Produktion: Straub-Huillet
Darsteller: Heinrich Hargesheimer, Carlheinz Hargesheimer, Martha Staendner



Heinrich Böll


Das Produzentenpaar Straub-Huillet in Locarno


Die Abtei Maria Laach