W ir schreiben das Jahr 33 unserer Zeitrechnung. Die Römer haben ganz Kleinasien und den vorderen Orient erobert, inklusive Judäa und Galiläa. Die Juden erwarten die Ankunft des Messias, der sie zunächst einmal von den lästigen Besatzern befreien soll. Über alles weitere kann man sich dann ja in Ruhe unterhalten.
Pontius Pilatus, der römische Statthalter, ist mit der Situation sichtlich überfordert.

In diesen Kontext platziert die englische Komikertruppe "Monty Python" 1979 ihr satirisches Historienepos "Das Leben des Brian". Für den Protagonisten läuft es im Leben nicht so ganz rund, aber am Ende erwartet ihn eine versöhnliche Erkenntnis:

"Always look at the bright side of life!"

Null Toleranz: Fundamentalisten nehmen alles gleich persönlich und verstehen keinen Spaß, das ist allgemein bekannt.
Islamisten zum Beispiel entführen Flugzeuge und verüben Selbstmord-Attentate. Sie bedrohen Schriftsteller und Zeichner ("Mohammed-Karikaturen") mit dem Tod oder bringen sie gleich um wie im Januar 2015 die 12 Redakteure des Pariser Satiremagazins "Charlie Hebdo". Ab und an wird auch schon einmal ein Lehrer enthauptet.

Christliche Eiferer, ihre Brüder im Geiste, wirken dagegen geradezu weichgespült. Das sah vor ein paar Jahrhunderten ganz anders aus, da hatten die Jungs noch deutlich mehr drauf und die Ketzer nichts zu lachen!
Heute kann man von ihnen bestenfalls noch Randale vor und in den Kinos erwarten, wie bei der Premiere des Monthy Python-Streifens.
"Das Leben des Brian" erschien ihnen als die reinste Blasphemie, Gotteslästerung pur. Gewisse Politiker in Europa und in Nordamerika forderten sogar, den Film zu verbieten. Er wurde dennoch - oder gerade deshalb? - zu einem großen Erfolg.



Monty Python freut sich über die kostenlose Publicity durch den Vatikan. Heute würde es nicht einmal die FIFA schaffen, die katholische Kirche zu einer Filmpromotion mit ins Boot bzw. ins Fußball-Stadion zu holen, auch nicht mit viel Geld, guten Worten und Stoßgebeten vom Elfmeterpunkt gen Himmel.

Unbestätigten Gerüchten zufolge wollte Monthy Python nachlegen und der Kirche einen Spiegel vorhalten mit dem umstrittensten Kapitel ihrer Geschichte - Arbeitstitel "Die Hexen von Schmidtheim". Tatsächlich war die Eifel eine gewisse Zeit lang ein "Hotspot" im wahrsten Sinne des Wortes. Hier brannten die Scheiterhaufen, dass es eine Freude war.
Die Schlüsselszene des angedachten Filmprojektes findet daher nicht auf einem Marktplatz in Jerusalem statt, sondern auf dem Schlossplatz von Schmidtheim.

Historienepos

Columbia 1979


Regie: Terry Jones
Produktion: Handmade Films, Monty Python Pictures
Darsteller: Graham Chapman, John Cleese, Michael Palin, Eric Idle






Uraufführung eines Kultfilms
(WDR Zeitzeichen)

(Fiktives) Drehbuch Seite 87, Auftritt des Herolds:

»Eilt herbei, brave Bürger - verfluchet den Leibhaftigen!
Keine Maskenpflicht, kein Mindestabstand. Zwischenrufe sind jederzeit willkommen, gerne Malediktion und Verwünschungen!
Am Eingang können Kreuze und Rosenkränze gegen einen geringen Selbstkostenbeitrag ausgeliehen werden - aber jeder nur ein Kreuz!«

"Prime time" für Hexenverbrennungen war die frühe Neuzeit (1550-1650) im christlichen Europa, und zwar unabhängig davon, ob in der Gegend gerade die Katholiken oder die Protestanten das Sagen hatten. Die orthodoxe Kirche dagegen ging mit ihren Hexen und Zauberern wesentlich verständnisvoller um:
So wurde beispielsweise eine reumütige prominente Zauberin namens Amarantina um 1350 in Konstantinopel in einem Kloster unter Aufsicht gestellt. Was hätte sie in diesem Umfeld auch groß anstellen können?

Die englischen Siedler in Nordamerika feierten ihr eigenes "Hexengate", lange vor John Wayne, den Pentagon Papers und Watergate:
Im Jahr 1692 - da hatte der alte Brauch in Schmidtheim seine besten Zeiten schon hinter sich - wurden in der Stadt Salem (Massachusetts) 20 Beschuldigte hingerichtet, 55 Menschen unter Folter zu Falschaussagen gebracht, 150 Verdächtigte inhaftiert und weitere 200 Menschen der Hexerei beschuldigt.

Brennende Scheiterhaufen waren überall ein Happening mit großer Anziehungskraft und Bürgerbeteiligung, vergleichbar mit einem Karnevalsumzug in der Gegenwart, dem Christopher-Street-Day oder der Love Parade. Um Liebe ging es dabei weniger…
Verständlich, ohne Fernsehprogramm und Bundesliga war das Unterhaltungsangebot stark eingeschränkt. Und auf die nächste Plünderung durch marodierende Landsknechte zu warten, erschien den meisten ein wenig fad.

So suchten Bierbrauer, Schankwirte und Händler bei ihrem geistlichen oder welt­lichen Fürsten um eine Sondererlaubnis nach - Erweiterung der Schanklizenz, temporäre Aufhebung der Sonntagsruhe und des Ladenschlussgesetzes. Meist wohl mit Erfolg, denn die Gewerkschaften zogen mit, ganz anders als heute.

Auch das horizontale Gewerbe freute sich über einen teuflischen Anstieg der Nachfrage, und das ganz ohne behördliche Sondergenehmigung.

Das Gottesurteil - oder - leugnen ist zwecklos

Wer nach einer anonymen Anzeige in den Verdacht geriet, mit dem Satan unter einer Decke zu stecken - bei Frauen gerne unter einer Bettdecke - galt als gesellschaftlich »verbrannt«, lange bevor der Prozess begann oder die Flammen loderten.
Um die eigene Unschuld zu beweisen, unterwarf sich manches Opfer einem »Gottesurteil«, einer Art Mutprobe, wie sie heute noch C-Promis in Urwald-Camps zugemutet wird. Am Ende wartete aber kein schönes Preisgeld, sondern in jedem Fall der Tod. Wer den Test bestand, musste schließlich mit dem Teufel im Bunde stehen. Wer ihn nicht bestand, hatte die leichtere Todesart gewählt…

Dabei traf es nicht nur das alte Kräuterweib. Die Ankläger legten schon damals Wert auf Diversität, und so wurden auch viele junge Frauen verfolgt (die Folterknechte wollten schließlich bei Laune gehalten werden).
Bedauerlicherweise war die Position einer "Gleichstellungsbeauftragten" in den Verwaltungsapparaten von Kirche und Landesfürsten noch völlig unbekannt, so dass es zu keiner repräsentativen Auswahl der Opfer kam. Immerhin war jede vierte der insgesamt etwa 28.000 im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation ermordeten Hexen ein Mann, ganz ohne Ansehen von Beruf, Alter und gesellschaftlichem Stand.
Es gab kaum eine nachhaltigere Möglichkeit, einen Konkurrenten bei der Karriere, dem Geschäft oder der Minne aus dem Weg schaffen zu lassen. Selbst Geistliche hat es getroffen.
Nur in einer Hinsicht scheint man eher schlampig gearbeitet zu haben: Nirgendwo in den überlieferten Akten findet sich ein Hinweis auf ein drittes Geschlecht, auf diverse oder queere Identität des Angeklagten. Die Verhörspezialisten verlegten sich ganz aufs Mystische und forschten nach göttlichen oder dämonischen Einflüsterungen.

Der Hexenhammer

Hexerei zu erkennen, die Beschuldigten anzuklagen und vor Gericht zu stellen, ein revisionssicheres Verfahren durchzuführen - all das erforderte seinerzeit ein hohes Maß an Professionalität. Selbst die Jungs von der heiligen Inquisition kamen da manchmal an ihre Grenzen.
Der deutsche Dominikaner Heinrich Kramer (latinisiert Henricus Institoris) war selbst Inquisitor und wollte seinen Kollegen die notwendigen juristischen und theologischen Werkzeuge für ein erfülltes Berufsleben an die Hand geben. Sein Buch hätte er heute vermutlich unter dem Titel "Hexenverfolgung für Dummies - eine Anleitung für Anfänger und Fortgeschrittene" mit dem bekannten gelb-schwarzen Cover veröffent­licht.
Aber im Jahr 1486 hat man prägnantere Titel bevorzugt, und so fiel seine Wahl auf "Malleus maleficarum", zu deutsch "Der Hexenhammer". Das Machwerk erlebte bis zum Ende des 17. Jahrhunderts 29 Auflagen und wäre ganz sicher oben in der Spiegel-Bestsellerliste gelistet worden (Gesamtauflage ca. 30.000 Exemplare).
Heute kann "Der Hexenhammer" für 5,99 Euro bei Amazon als gebundenes Buch bestellt werden oder für unter 1 Euro als digitale Kindle-Ausgabe.

Kramer besaß wesentlichen Eigenschaften eines Erfolgsautors - das Gespür fürs richtige Timing und für Themen, die die Menschen bewegen, ein großes Verständnis für den Stoff und dessen systematischer Präsentation, viele lebensnahe Beispiele.
Da es ihm jedoch an durchschlagenden Beweisen für seine Thesen mangelte, bediente er sich eines Kniffs, der auch heute noch gerne - in abgewandelter Form - von Politikern verwendet wird:
Laien und Kleriker, die die Hexenjagd ablehnten, erklärte er zu gefährlichen Häretikern, die selbst verfolgt werden müssten.

Beziehungen sind schon im ausgehenden Mittelalter das A & O einer erfolgreichen Karriere. Kramer muss das auf die harte Tour lernen: In einer Rede greift er 1473 den regierenden Kaiser Friedrich III. öffentlich an. Der Kaiser zeigt sich darüber wenig amüsiert und lässt den Mönch in Rom inhaftieren. Mit dem Papst dagegen stimmt die Chemie - Sixtus IV. lässt ihn ein Jahr später frei und erteilt ihm gleich noch die Befugnis zur Inquisition, sozusagen "die Lizenz zum Töten".
Als Ghostwriter für den Nachfolger auf dem Heiligen Stuhl, Innozenz VIII., wirkt Kramer an der "Hexenbulle" mit, die 1484 veröffentlich wird. Damit hat er die gewünschte Protektion von ganz oben.

Auch die Ideen eines großen Geistes bleiben nicht unwidersprochen, manchmal dauert es nur etwas länger. So veröffentlichte gut 140 Jahre nach der Erstauflage des Hexenhammers der Kölner Jesuit Friedrich Spee zunächst anonym die "Cautio Criminalis", in der er die juristischen Methoden und vor allem die Folter in Frage stellte.

Keine typische Do-it-yourself-Bibel:
Der Hexenhammer





Cautio criminalis
(WDR Zeitzeichen)

Martin Luther:
"Ich will der erste sein, der Feuer an sie legt"

Persönlich hat der große Reformator wohl doch nicht selbst die Streichhölzer am Scheiterhaufen entzündet - erst recht nicht in Schmidtheim - aber seine Predigten ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Es gab zweifellos viele Reibungspunkte zwischen Katholiken und Protestanten, aber in Sachen "Hexenverfolgung" war man sich weitgehend einig.

Luther war bekanntermaßen kein Freund der Juden und bestimmt kein Sozialromantiker: So verlangt er in seiner Schrift "Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern" die Vernichtung der Aufrührer im sogenannten Bauernkrieg (1524-1526). Der Glaube an die Existenz von Hexen, den er aus der Bibel zu begründen wusste, wirft einen weiteren Schatten auf seine Persönlichkeit.

Aufgrund einer - im Vergleich zum Papst - deutlich geschickteren PR gelang es Luthers Anhängern in den folgenden Jahrhunderten, diese Aspekte in den Hintergrund zu drängen. Viel wichtiger erschienen da die alten Zöpfe, die er bei der Kirche abgeschnitten hatte.

Mönch sucht Frau

Beim Thema "Zölibat" kann man Luther allerdings ein gewisses Eigeninteresse nicht absprechen: Als Mönch, der das Gelübde abgelegt hatte, wollte er eine entlaufene Nonne (Katharina von Bora) ehelichen - das entsprach so gar nicht den kirchlichen Spielregeln.
Heiraten war (und ist) den Geistlichen der katholischen Kirche untersagt, es soll keinen legitimen (= erbberechtigten) Nachwuchs geben. Was mehr als tausend Jahre lediglich als Ideal galt, war im 12. Jahrhundert Kirchengesetz geworden. Das Bodenpersonal Gottes hatte schließlich wichtigeres zu tun, als dem Eheweib durch Beteiligung an Hausarbeit und Kindererziehung eine eigene Karriereplanung zu ermöglichen.
Ausschlaggebend war jedoch, wie meist im Leben, der finanzielle Aspekt: Die materiellen Hinterlassenschaften eines Geistlichen fallen nach dessen Ableben nicht an irgendwelche undankbaren Sprösslinge, sondern an die katholische Kirche - der Herr gibt´s und der Herr nimmt´s.
Natürlich gab es für das Problem geschmeidigere Lösungen, als sich offen mit Rom anzulegen. Genau wie viele seiner Brüder vor dem Herrn hätte Luther seine Katharina als Haushaltshilfe im Pfarrhaus anstellen können. Das musste nicht einmal der Minijob-Zentrale gemeldet werden, und hinsichtlich der steuerlichen Absetzbarkeit verfuhr man damals großzügig. Aber der Mann wollte ja unbedingt klare Kante zeigen...

Tatsächlich erwies sich die Ehe für beide als Glücksfall: Katharina war resolut, geschäftstüchtig, ein organisatorisches As. Sie erzog ihre sechs Kinder, hielt Luther den Rücken frei für seine schriftstellerische und reformatorische Arbeit, betreute ihn bei seinen vielen Krankheiten. Er wiederum setzte sie als Alleinerbin ein.

Rund 300 Jahre später geht ein gewisser Joseph Smith in den USA einen großen Schritt weiter: Er praktiziert die Vielehe, bekommt Probleme mit seiner Kirche und gründet daraufhin ebenfalls seinen eigenen Verein - die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, oder kurz, die Mormonen. Die Amis müssen ja gleich übertreiben!
Ob Martin Luther das trotzdem gefallen hätte? Wer weiß.

Heim an den Herd

Ja, es stimmt - für Frauen in den jüdisch-christlich-muslimisch inspirierten Glaubensgemeinschaften waren keine Führungspositionen vorgesehen, von einer "Frauenquote" hatte keiner der Propheten etwas verkündet. Vermutlich hatten die bei den entsprechenden Offenbarungen nicht richtig hingehört.
Dennoch haben die Frauen in der Religionsgeschichte - wenn auch indirekt - eine ganze Menge bewirkt, vor allem Kirchenspaltungen...

Da waren die alten Griechen und Römer schon viel weiter: Es gab eine Reihe weiblicher Gottheiten, und zwar sowohl von der spröden Sorte (z.B. Hera), als auch die heißen Feger (Aphrodite bzw. Venus). Unter den Sterblichen boten sich Frauen eine Reihe interessanter Job-Optionen - von Priesterin über Orakel bis zur vestalischen Jungfrau. Nachdem das Christentum zur Staatsreligion erklärt wurde, war damit Schluss. "Heim an den Herd" lautete nun die Devise - Kinder, Küche, Kirche.



Katharina, die Powerfrau
(WDR Zeitzeichen)

Der Ablassbrief:
Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann

Als eigentlicher "Aufhänger" für das ganze Drama der Kirchenspaltung gilt aber nicht Luthers neu erwachter Familiensinn, sondern sein Kampf gegen das Ablasswesen.
Hatte er sich da etwa das falsche Feindbild ausgesucht?
Es handelte sich doch im Grunde um eine innovative Geschäftsidee, eine "Win-win-win"-Situation für alle Beteiligten und ein frühes Beispiel für ein erfolgreiches Franchise-Modell.
Wanderprediger zogen durchs Land, schilderten in den lebhaftesten Farben die Qualen des Fegefeuers und konnten direkt eine Problemlösung anbieten - den Erwerb eines Ablassbriefes. Online-Überweisung und Schriftform waren nicht vorgesehen, vorzugsweise wurden Gold- und Silbermünzen entgegengenommen.

Die Fixkosten waren gering, die Hälfte der Einnahmen gingen nach Rom, die andere Hälfte teilten sich der Regional-Bischof und der Prediger. Einer der charisma­tisch­sten unter ihnen, mehrfach ausgezeichnet als "Verkäufer des Jahres", war der deutsche Dominikaner-Mönch Johann Tetzel (1460 - 1519). Der erweiterte das Geschäftsmodell auf nahe (verstorbene) Angehörige, von deren Fegefeuer-Qualen nun auch per Ablassbrief ein paar Jahre erlassen werden konnten, und prägte den eingängigen Werbeslogan "Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Feuer springt".
Auf Luther muss der Mann gewirkt haben wie ein rotes Tuch oder der Leibhaftige höchstpersönlich, denn er fand in der Bibel beim besten Willen keinen Hinweis, wie ein solcher Handel funktionieren könnte.


Tetzel, der Top-Verkäufer der Kirche (WDR Zeitzeichen)

Knackpunkt Baufinanzierung

Das wusste natürlich auch der Papst in Rom, Julius II., und sein Nachfolger Leo X., aber die beiden hatten ganz andere Sorgen - die Finanzierung des Neubaus des Petersdoms. Die europäische Zentralbank EZB in Frankfurt hatte noch nicht das süße Gift der Nullzinspolitik entdeckt und kaufte auch keine Anleihen von Staat und Kirche. Gleichzeitig explodierten die Baukosten. Baumeister und Künstler, darunter Bramante, Raffael und Michelangelo, witterten das Geschäft ihres Lebens und stellten unverschämte Honorarforderungen. Gleichzeitig scheiterte der Versuch, Gastarbeiter aus Osteuropa anzuwerben, am Einspruch der Zünfte, die Lohndumping witterten. Wohl nicht ganz zu Unrecht.

Unter diesen Umständen wäre es geboten, Steuern und Abgaben drastisch zu erhöhen, also beispielsweise aus dem "Zehnten" einen "Fünften" zu machen. Das aber wäre, soviel verstand ein Papst von Wirtschaftspsychologie, extrem unpopulär. Da traf es sich gut, wenn die Leute freiwillig spendeten.
Um die vertraglich zugesicherte Gegenleistung - Verschonung vor den Qualen des Fegefeuers - durfte sich später der oberste Chef persönlich kümmern, für ihn sicherlich eine der leichtesten Übungen.

Tatsächlich hat sich das Prinzip des Ablasshandels bis auf den heutigen Tag erhalten. Viele kleineren Delikte und beispielsweise auch die meisten Steuerhinterziehungen werden durch Geldbußen gesühnt. Ob die dann auch auf die Verweildauer im Fegefeuer angerechnet werden, konnte die Kirche nicht abschließend klären. Katholiken und Protestanten liegen in ihrer Einschätzung noch weit auseinander.

Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel: Als Uli Hoeneß, der ehemalige Präsident des FC Bayern München, 2014 wegen kreativer Steuergestaltung vor Gericht steht, bieten seine Anwälte einen großzügigen Ablasshandel an. Das Gericht lehnt ab und überantwortet Hoeneß dem Fegefeuer für dreieinhalb Jahre, konkret der Justizvollzugsanstalt Landsberg und ein halbes Jahr später als Freigänger im offenen Vollzug der Haftanstalt Rothenfeld.

Dies ist einer der wenigen dokumentierten Fälle, in der das Strafrecht in der Gegenwart härter angewendet wird. Der Ablassprediger Tetzel wäre mit Hoeneß vor 500 Jahren viel pragmatischer umgegangen. Nach der Einigung auf eine angemessene Anzahl von Goldstücken hätte er den Ablassbrief umgehend ausgestellt und sicher auch auf ein paar Ehrenkarten für die nächsten Bayern-Heimspiele bestanden.

Wie sich die Zeiten ändern

Wer sich heute als Fan diabolischer Praktiken outet und über eigene Verbindungen ins dunkle Reich der Schatten schwadroniert, gilt schlimmstenfalls als Verschwörungstheoretiker minderer Orginalität und kann weiter in den sozialen Medien um Follower werben. Das gilt jedoch nur für den westlichen Kulturkreis:
Als der indisch-muslimische Schriftsteller Salman Rushdie 1988 den Roman »Satanische Verse« veröffentlicht, löst das in vielen muslimischen Ländern gewalttätige Demonstrationen mit Todesopfern aus. Der persische Revolutionsführer Ayatollah Khomeini erlässt eine »Fatwa« und fordert darin alle Gläubigen auf, Rushdie zu töten.
Letztlich hat´s auch ein großzügiges Kopfgeld nicht gebracht - der Autor überlebt den Ayatollah um Jahrzehnte.

Gesellschaftlich geächtet sind im Deutschland der Gegenwart diejenigen, die unbedacht einen Nazi-Vergleich `raushauen oder beim Abschreiben erwischt werden. Die »peinliche Befragung« findet nicht mehr im dunklen Verlies statt, sondern im gut ausgeleuchteten Fernsehstudio. Sie wird vom Talkmaster einer öffent­lich-rechtlichen Anstalt durchgeführt und nicht etwa von einem Abgesandten der heiligen römischen Inquisition. Obwohl, manchmal ist der Unterschied nicht auf den ersten Blick zu erkennen…
Jedenfalls werden auch heute noch zu Beginn die Folterinstrumente präsentiert - Kamera, Scheinwerfer und Mikrofon.

Der Strafvollzug ist im Verlauf der Jahrhunderte deutlich humaner geworden: Die überführten Missetäter werden an Leben, Gesundheit und Vermögen geschont, ihnen droht schlimmstenfalls der Verlust des politischen Mandats und/oder die Aberkennung des Doktortitels.
Schließlich rechnet niemand mehr ernsthaft damit, dass ein Bundesverteidigungsminister oder eine Parteivorsitzende und Kanzlerkandidatin so nebenbei - und ganz ohne Ghostwriter - umfangreiche Schriftwerke erstellen können. Statt eines Plagiats-Vorwurfs sollten die Betreffenden eher für die mangelhafte Kontrolle der Mitarbeiter gerügt werden, an die sie die Arbeit delegiert haben.




Die Fatwa - ein Rechtsgutachten als Mordaufruf
(WDR Zeitzeichen)

Die Eifel wird zum Hotspot

Das ausgehende Mittelalter und die frühe Neuzeit meinten es nicht gut mit den einfachen Menschen in der Eifel. Die Prachtbauten und die Kunstwerke der Renaissance interessierten sie nicht, genauso wenig wie die Entdeckungsfahrten der portugiesischen und spanischen Seefahrer. Für die Auseinandersetzung des italienischen Universalgelehrten Galileo Galilei mit dem Papst ("Und sie bewegt sich doch!") brachten sie wenig Verständnis auf.

Stattdessen: Pest und Cholera, Hungersnot und Krieg. Und nicht zuletzt der Klimawandel, den darf man natürlich nicht vergessen. Der Übergang von der mittelalterlichen Warmzeit zur "Kleinen Eiszeit" wurde wohl von starken Dürren und entsprechenden Missernten begleitet - siehe da, es geht also auch mit ganz wenig CO2-Ausstoß!

Für dieses Ungemach hatte man schnell einen Schuldigen an der Hand - den Leibhaftigen. Und der machte gemeinsame Sache mit willigen Helfern, die es schleunigst aus dem Verkehr zu ziehen galt.

Den Tätern auf der Spur

Unter dem Titel "Täntze, Todt und Teuffel" - kein Rechtschreibfehler, der Autor liebt die historische Schreibweise - veröffentlicht Hans-Peter Pracht bereits 1991 ein erstes Standardwerk über die Hexenverfolgung in der Eifel, das 2015 eine Neuauflage erfährt.
Der Heimatforscher und Eifelmaler wird 1949 in Oldenburg geboren, wächst in Köln auf, lebt aber seit vielen Jahren in der Gemeinde Grafschaft bei Ahrweiler. In seinem ersten Leben war Pracht Polizist und später Leiter des Ordnungsdienstes in Bad Honnef. Da soll noch jemand behaupten, der öffentliche Dienst in Deutschland würde keine kreativen Köpfe anziehen!

Was Pracht besonders gut gelingt: Er führt den Leser nicht nur in den historischen Kontext der Hexenverfolgung ein, sondern auch in die Vorstellungswelt der Menschen dieser Zeit. Die Leute hatten klare Ideen zu Teufelspakt und -buhlschaft, zu Hexensabatt und Hexenflug. Interessant sind auch seine Erklärungen zu Schadenszauber oder maleficium, die fast immer die Anklagen gegen vermeintliche Hexen und Zauberer begründen. Im Vergleich zu deren angenommenen Folgen - Krankheit und Tod bei Mensch und Vieh, Missernte und, mit Abstand am schlimmsten, Hostienschändung - erscheint die moderne Form des Schadenzaubers, Mobbing in den sozialen Medien, nur als relativ harmloser Rufschädigung.

Mehr als die Hälfte seines Buches widmet Pracht der Schilderung einzelner Eifeler Hexenprozesse, die in Ahrweiler, Münstereifel, Bürresheim, Gerolstein, Schmidtheim, Maria Laach, Blankenheim und vielen anderen Orten abgehalten wurden. Die Fleißarbeit bei der Sichtung und Auswertung historischer Quellen ist bewundernswert!

Der "Hexenkrieg" von Schmidtheim

Erst zweieinhalb Jahrzehnte später wird das Thema wissenschaftlich aufgearbeitet durch Dr. Rita Voltmer, Historikerin der Universität Trier und Expertin für die Zeit der Hexenverfolgungen und Hexenprozesse im Raum zwischen Maas und Rhein. Finanziert vom Geschichtsverein des Kreises Euskirchen, dem Landschaftsverband Rheinland und der Universität Trier, hat sie eine 560-seitige Studie erstellt über die "Binnenlage eines Dorfes im Hexenkrieg“. Das Dorf heißt Schmidtheim.
13 Prozessakten wurden Wort für Wort aufgrund der Originalunterlagen editiert und verständlich kommentiert. Eine davon beschreibt das Verfahren gegen den einstigen Dorfpfarrer Laurenz Kirsbach, der 1630 als „Hexenmeister“ verurteilt und hingerichtet wurde.
Voltmer ist davon überzeugt: "Es ging vor allem um eine Nutzung der Hexenverfolgung aus herrschaftspolitischen Gründen – auch in Schmidtheim."

Bei circa 50 Haushalten wurde wohl ein Drittel bis die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung innerhalb weniger Jahre hingerichtet. Setze man die Hinrichtungen ins Verhältnis zur Einwohnerzahl, gehörten die Schmidtheimer Verfolgungen sicher zu den schlimmsten Hexenjagden in ganz Europa.
Heute lebt auf Schloss Schmidtheim Emanuel Graf Beissel zu Gymnich, dessen Vorfahre 1511 hier eingeheiratet hat - mehr Tradition geht eigentlich nicht!

In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts brach in dem kleinen Eifelort eine regelrechte Menschenjagd aus, geschürt von den Freiherrn Reinhard der Jüngere und seinem Sohn Bertram Beissel von Gymnich und angefeuert von katholischen Theologen - ein typischer Vater/Sohn-Konflikt mit üblen Folgen für das staunende Publikum.
Voltmer: "Bertram zeigte sich von der Existenz des Hexereidelikts überzeugt, da es die Hexen ja angeblich auf seine Nachkommen abgesehen hatten. Und außerdem wollte er seinem Vater Reinhard beweisen, dass er in der Lage war, seine eigenen Machtinteressen durchzusetzen."

Nachtragend sind die Schmidtheimer offensichtlich nicht, denn sie haben den aktuellen Grafen zwischenzeitlich in den Gemeinderat gewählt und feierten im Juli 2011 gemeinsam mit ihm und seiner Familie „500 Jahre Beissels in Schmidtheim“.


*** Schmidtheim ***

mit seinen knapp 1.500 Einwohnern der größte Ortsteil der Gemeinde Dahlem im Kreis Euskirchen, wird erstmals in einer Königsurkunde aus dem Jahre 867 erwähnt. Zur Manifestierung ihrer Macht erbauten die Herren von Schmidtheim eine Burg in der Nähe der Pfarrkirche, auf deren Grundmauern das heutige Schloss errichtet wurde. Stolze Besitzer seit etwa 1500 ist die Familie der Grafen Beissel von Gymnich - und das bis ins 21. Jahrhundert!

Abgesehen vom Schloss, einer alten Linde und einem Barfuß- und Generationenpark gibt es im Ort keine wirklichen »touristischen Highlights«, um so mehr aber in der näheren Umgebung.
Nur ein paar Kilometer südlich liegt beispielsweise die Burgsiedlung Kronenburg rund um die alte Wehranlage mit viel mittelalterlichem Flair und einem Wassersportsee im Tal.

Bewertung:   4,1/5  Tripadvisor