D üttling bei Heimbach in der Nordeifel, 20. Mai 1800.
Gegen Mitternacht schreckt Johann Nießen, der Wirt des Gasthauses aus dem Schlaf. Geschrei und Lärm stammen aber nicht von irgendwelchen Zechern. Ist ein Feuer ausgebrochen?

Die Desperados kommen

Nießen beugt sich aus dem Fenster und sieht eine Anzahl abenteuerlicher Gestalten vor den Außenmauern des Wirtshauses - offenbar keine späten Gäste, die noch Umsatz bringen, die hier haben etwas ganz anderes im Sinn.

Der Wirt überschlägt kurz die Anzahl - es sind bis zu 40 Räuber, die da gerade versuchen, mit einem großen Baumstamm Hofmauer und Haustür einzurammen.
Aber warum wird das Wirtshaus gerade jetzt überfallen? Nießen ist sich da ziemlich sicher: Einer seiner Gäste, der Notar Bücker, hatte am Vortag Steuern und Abgaben am Ort eingesammelt. Jemand muss den Räubern einen Tipp gegeben haben.
Nießen stürzt aus seiner Schlafkammer hinüber zum Zimmer des Notars und schreit laut "Wir sind alle verloren, das Haus ist rund herum von Räubern umstellt!".

Während die Familie Nießen noch versucht, sich im Obergeschoss zu verschanzen, ist die Räuberbande bereits eingedrungen und überfällt zuerst die unteren Gaststuben der Herberge, die Zollstelle und den Bauernhof. Sie nehmen den Leuten Ringe und Geld ab und misshandeln sie – vor allem Johannes Nießen, den Hofbesitzer, und den Notar Bücker, der die Verstecke von Geld und Wertgegenständen verraten soll.
Da erkennt Nießens Sohn Andreas plötzlich einen der Täter. Andreas und seine fünfjährige Nichte Christina werden mit Bajonetten durchbohrt, die übrigen Opfer zusammengepfercht, die Herberge angezündet.

Organisierte Kriminalität

Den Überfall auf die Düttlinger Zollstelle im Gasthof Nießen schreiben die meisten Quellen der sogenannten „Neuwieder Bande“ zu. Allerdings gab es gar keine festen Bandenstrukturen im engeren Sinn. Deren Anführer sammelten zunächst in ihrem rechtsrheinischen Rückzugsgebiet von Fall zu Fall neue Kumpane gegen das Versprechen einer "Gewinnbeteiligung" bei der Beute. Die Überfälle wurden dann im von Frankreich besetzten linksrheinischen Raum verübt, z.B. der Eifel.

Man traf sich in der Nähe des geplanten Raub-Ortes so kurzfristig wie möglich, manchmal erst am Tag des Überfalls. Lediglich ein Spion wurde zuvor ausgesandt, um die Lage und Örtlichkeit noch einmal auszukundschaften und manchmal weitere Mittäter aus der direkten Umgebung anzuwerben. Diese Mitläufer wurden am ehesten erwischt und abgeurteilt, aber sie kannten die eigentlichen Anführer nicht und konnten die Aufklärung des Falles nicht weiterbringen.

Die eigentlichen Täter teilten schon eine Stunde nach dem Überfall die Beute, trennten sich wieder und reisten umgehend auf verschiedenen Wegen zurück auf die andere Rheinseite, wo sie sämtlicher polizeilicher Verfolgung entzogen waren.

Wenn Anführer oder Kumpane dann doch einmal gefasst wurden, wartete die Guillotine auf sie.

Die Eifel wird französisch

Schon bald nach der französischen Revolution von 1789 ging es den Vertretern des "Ancien Régime", also Aristokraten und Geistlichen, an den Kragen, und das im wahrsten Sinn des Wortes. Spätestens als Anfang 1793 Frankreichs König Ludwig XVI. zur Guillotine geführt wurde und im Oktober desselben Jahres auch seine Gemahlin, Marie Antoinettes, setzte unter ihnen eine Fluchtbewegung ein, vorwiegend in die grenznahen deutsche Fürstentümer.

Man bestieg standesgemäß die Kutsche, packte alle verfügbaren Silber-Livres und den Schmuck der Gemahlin ein, die notwendige Garderobe und - wenn dann noch Platz war - den einen oder anderen Bediensteten. An den Postkutschen-Stationen auf der deutschen Seite warteten schon die Standesangehörigen mit großen Transparenten "Refugees welcome", pardon "bienvenue aux réfugiés".

Es handelte sich schließlich um echte Flüchtlinge, die schnellst möglich wieder nach Hause auf ihr Schloss wollten, und nicht etwa um verkappte Migranten. Im ganzen europäischen Adel war man verschwippt und verschwägert, und entfernten Verwandten muss geholfen werden. So folgte man auch gerne ihrer Anregung, in Frank­reich doch bitte militärisch wieder die alten Zustände herzustellen.
Der Schuss sollte bekanntlich nach hinten losgehen, und so siegten die franzö­si­schen Revolutionsarmeen unter Führung eines gewissen Korsen in einer Schlacht nach der anderen. Im Herbst 1794 hatten sie Rheinland und Eifel besetzt - es begann die "Franzosenzeit", die 20 Jahre dauern sollte.

Das eroberte Gebiet wurde 1798 in vier Departements eingeteilt und dann 1802 ganz nach Frankreich eingegliedert.
"Freiheit - Gleichheit - Brüderlichkeit", das klang für die Eifler zunächst gar nicht einmal so schlecht. Als dann aber auch die neuen Machthaber überhöhte Steuern forderten, junge Bauern zum Kriegsdienst einzogen und die Kirchen schlossen, war es mit der Liaison schnell wieder vorbei.
Die Sicherheitslage hatte sich massiv verschlechtert, Räuberbanden zogen durch´s Land. In der Westeifel kam es jetzt sogar zu Bauern-Aufständen, dem sogenannten "Klöppelkrieg", die aber von den französischen Besatzern schnell niedergeschlagen werden konnten.

Polizei und Verwaltung funktionierten auf dem frisch von den Franzosen besetzten linken Rheinufer noch nicht. Bis zum Aufbau neuer Verwaltungsstrukturen herrschte ein Machtvakuum. Die rheinischen Räuberbanden tarnten sich bei ihren Überfällen meist auch noch als marodierende französische Soldaten. Das brach nicht nur jeden Widerstand bei den Opfern, sondern hinderte sie auch daran, das Verbrechen bei den französischen Behörden anzuzeigen.

Mit der endgültigen Niederlage Napoleons und dem Wiener Kongress kamen Eifel und Rheinland 1815 dann an Preußen - der nächste Kulturschock für die einheimische Bevölkerung!


*** Düttling ***

heute Teil der Stadt Heimbach, ist der südlichste Ort im Kreis Düren und liegt auf dem waldreichen Höhenzug Kermeter im Naturpark Nordeifel.
Häufig erwähnt wird Düttling in Zusammenhang mit der Wildniswerkstatt des Nationalparks Eifel, der direkt an den Ort angrenzt. Es handelt sich um eine Umweltbildungseinrichtung, gegründet 2007 für Kinder und Jugendliche, die bereits in den ersten 10 Jahren ihres Bestehens etwa 70.000 Teilnehmer bei 3.500 Veranstaltungen zählte. Wald und Wildnis mit allen Sinnen erleben das Terrain auch abseits der Wege zu erkunden und mittags am Lagerfeuer bei Stockbrot und Würstchen zusammen zu kommen - so lässt sich das »wald-pädagogische« Konzept zusammenfassen.

Ein weiteres Projekt ist der Kohlemeiler Düttling, der eine alte Tradition aufgreift und im Mai angeheizt wird. Im Kermeter gab es einmal weit über 1.400 Meilerplätze, auf denen in großem Umfang Holz zu Holzkohle für die Eisenindustrie im Schleidener Tal verarbeitet wurde. Der Köhler war damals nicht wählerisch - jede Holzart, die ihm vor die Axt kam, wurde verwendet.

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