E nde August 2011: Die ZDF-Sendung »Aktenzeichen XY … ungelöst« bittet um Hinweise im Fall »Lolita Brieger«. Die 18jährige war fast 30 Jahre zuvor unter ungeklärten Umständen verschwunden. In zwei kleinen Eifeldörfern sitzen jetzt fast alle Bewohner gespannt vor den Fernsehgeräten. Der ehemalige Freund des Mädchens lebt in Scheid in der Vulkaneifel auf dem eigenen Bauernhof, die Familie der Vermissten in Frauenkron, nur ein paar hundert Meter weiter nördlich, jenseits der Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen. Die einschlägigen Gerüchte kennen hier in der Gegend alle, aber ein paar wissen mehr…

Der reiche Bauer und das arme Mädchen

Am 4. November 1982 wird Lolita Brieger gegen Mittag das letzte Mal gesehen. Eine Arbeitskollegin hat sie von Jünkerath mit dem Auto mitgenommen, sie will ihren Freund Josef K. auf seinem Bauernhof in Scheid treffen. Lolita, das Mädchen aus einfachen Verhältnissen, ist schwanger und will heiraten. Jupp, wie Josef K. von seinen Freunden genannt wird, ist Hoferbe und will davon nichts wissen. Besonders der Vater wünscht sich eine bessere Partie für seinen Sohn und macht Druck. Angeblich bietet er Lolita eine »Abfindung« an, wenn sie seinen Sohn in Ruhe lässt.

Das Schweigen brechen

Den Kriminalhauptkommissar aus Trier, Wolfgang Schu, beschäftigt der Fall schon ein halbes Berufsleben lang. Er ist sich sicher, dass an den Gerüchten vom Selbstmord (ein Selbstmord ohne Leiche?) und von Lolitas Flucht nach Holland nichts dran ist.
Schon 1982 stand Lolitas Freund, Josef K., im Mittelpunkt der Ermittlungen; beweisen konnte man dem Jungbauern damals nichts. Aber Schu vermutet Mitwisser, und er spielt im TV-Beitrag einen Trumpf aus: Die Beteiligung an der Straftat ist inzwischen verjährt, Mitwisser oder Helfer können juristisch nicht mehr belangt werden, aber sie können jetzt mit ihrem Gewissen ins Reine kommen.

Die Rechnung geht auf

Nach der XY-Sendung gehen 76 Anrufe ein, darunter der konkrete Hinweis einer Frau auf den Mitwisser des Verbrechens. Der 51jährige Dachdecker, ein früherer enger Freund von Jupp, gesteht, die Leiche Lolitas zusammen mit dem Täter auf einer nahegelegenen Mülldeponie bei Frauenkron verscharrt zu haben. Nach einer zweiwöchigen Suche wird dort am 19. Oktober 2011 ein in Kunststofffolie verpacktes menschliches Skelett nebst Bekleidungsresten und einer Drahtschlinge gefunden. Die DNA-Analyse schafft Gewissheit - es sind Lolita Briegers sterblichen Überreste.

Und warum hat der Zeuge so lange geschwiegen: "Ich hatte Angst, dass er es mir in die Schuhe schiebt."

Für die inzwischen 80jährige Mutter ist die Klärung des Falls Erleichterung und Schock zugleich. Endlich hat sie Gewissheit, was damals mit ihrer Tochter geschehen hat, muss aber erleben, wie die Täter das Gerichtsgebäude als freier Mann verlässt. Gleichzeitig erfährt sie, dass sie - ohne es zu wissen - oft auf ihre tote Tochter geschaut hat. Denn auf der früheren Müllhalde sind mit der Zeit Bäume gewachsen, Kühe grasen dort idyllisch im saftigen Grün. Eine Aussicht, die Mutter Hildegard all die Jahre vom Balkon aus genoss…

Ungesühnt

Im Prozess wird der Bauer Josef K. des Totschlags für schuldig befunden – und kommt am Ende doch ungestraft davon. Einen Mord kann man ihm nicht nachweisen, und der Totschlag ist inzwischen verjährt. Auch für Triers leitenden Oberstaatsanwalt Jürgen Brauer ist das Urteil "ein Ergebnis, das nicht zufriedenstellend ist". Die Dorfbewohner formulieren das drastischer.
 Der Fall Lolita enthält mehr Spannungsmomente und unerwartete Wendungen als ein durchschnittlicher Fernseh-Tatort: Reicher Bauer tötet schwangere Freundin und wird erst knapp 30 Jahre später durch eine TV-Sendung überführt, ohne dass man ihn zur Rechenschaft ziehen könnte. In der - bisher unveröffentlichten - Top-Ten-Liste Eifler Verbrechen ist Lolita ein Spitzenplatz so schnell nicht zu nehmen.

So hat der Fall nicht nur der Boulevard-Presse Schlagzeilen geliefert, auch Qualitätsmedien wie Zeit, Spiegel und Focus haben ausführlich berichtet. Der WDR hat 2015 unter dem Titel »Tod in der Eifel« eine 45 min. Dokumentation ausgestrahlt, Wikipedia ist die Tat eine eigene Seite wert.


*** Idyllisch ***

inmitten von Wiesen und Wäldern gelegen schmiegt sich Frauenkron an die Eifelhügel im äußersten Südwesten des Kreises Euskirchen (und des Landes Nordrhein-Westfalen).

Das 180-Seelen-Nest ist ein Ortsteil der Gemeinde Dahlem und weist - mit Ausnahme der Barbara-Kapelle aus dem 18. Jahrhundert - keine besonderen architektonischen Highlights auf.

Dabei war hier bereits im 13. Jahrhundert ein Kloster der Zisterzienserinnen errichtet worden, das jedoch nach Einnahme durch die französischen Revolutionstruppen im Jahre 1802 versteigert und abgebrochen wurde.


Touristisch deutlich interessanter ist das nur wenige Kilometer entfernte Kronenburg mit seinem mittelalterlich anmutenden Ortskern und dem Kronenburger See, der mit diversen Wassersport-Angeboten und einem eigenen Ferienpark im Sommer viele Besucher anlockt.

Bewertung:   4,0/5  Tripadvisor