Mord ohne Leiche:

Ein Rentner verschwindet spurlos im Prümer Land

Rolf Seydewitz, Volksfreund • 2. September 2018


„Warum sollte ich Walter Klein ermorden? Wir hatten doch ein harmonisches, freundschaftliches Verhältnis.“ Die letzten Worte des Angeklagten vor der Urteilsberatung beeindrucken die Vorsitzende Richterin Petra Schmitz und ihre Kollegen offenkundig nicht.

Walter Klein
Das Opfer, das nie gefunden wurde: Der spurlos verschwundene Rentner Walter Klein liebte die Natur. (Foto: TV)

Einen Tag später, am 25. Februar 2011, wird Hans S. vom Trierer Landgericht wegen Mordes und versuchter Anstiftung zum Mord zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt. Damit geht der Prozess um einen der wohl spektakulärsten Kriminalfälle in der Region Trier nach 15 Verhandlungstagen zu Ende. Das Besondere an dem Fall: Der Leichnam des Ermordeten wurde nie gefunden. Daran hat sich auch mehr als sieben Jahre nach dem Urteil gegen Hans S. nichts geändert, obwohl es erst vor wenigen Wochen noch einmal eine groß angelegte Suchaktion in einem Waldstück nahe dem luxemburgischen Clerf gab.

Ein ehemaliger Waldarbeiter hatte sich bei der Polizei gemeldet, nachdem er etwas über den Jahre zurückliegenden Fall gelesen hatte. Nach seiner Erinnerung gab es in dem Waldstück zum Zeitpunkt von Walter Kleins Verschwinden eine Stelle mit frischen Grabungsspuren.
Die gemeinsame Suche durch luxemburgische und deutsche Polizisten verlief aber ergebnislos. Dabei war unweit des Wäldchens elf Jahre zuvor der Wagen Walter Kleins gefunden worden – nur einen Tag nach dem mysteriösen Verschwinden des 69-jährigen Eifeler Rentners.

Das Auto von Walter Klein
Das zerstörte Auto von Walter Klein wird in Luxemburg gefunden. (Foto: Polizei)

Der Wagenfund – ein Zufall. Am 5. September 2007 kurz vor Mitternacht brettern zwei junge Männer mit ihrem Fahrzeug auf den auf einem Parkstreifen neben dem Clerfer Campingplatz abgestellten blauen Renault Walter Kleins. Das Auto ist anschließend schrottreif. Aber wie kam der Wagen dahin? Walter Klein fuhr eigentlich nie nach Luxemburg, wie eine Bekannte des Rentners später bei der Polizei aussagt.

Als der Unfall passiert, gilt der Eifeler Rentner bereits als vermisst. Eine Freundin des 69-Jährigen hat bei der Prümer Polizei angerufen, weil sie den als sehr zuverlässig geltenden Klein nicht erreichen kann. „Ich mache mir Sorgen“, sagt die Frau. Die Polizei schickt eine Streife nach Oberlascheid, wo der ledige Walter Klein in einem Bauernhaus eine kleine Einliegerwohnung hat: Wohnschlafzimmer, Bad, Abstellraum.

Das Haus gehörte einst Kleins Eltern, wurde aber im August 1987 an Hans S. verkauft. Klein selbst hat lebenslanges Wohnrecht im hinteren Gebäudetrakt. „Das war dem neuen Eigentümer immer ein Dorn im Auge“, sagt einer der Ermittler später. Zwischen den beiden Männern entwickelt sich eine tiefe Feindschaft, die 1988 eskaliert.

Hans S. schießt Walter Klein vor dem Haus nieder. Das Opfer überlebt nur dank der schnellen Hilfe einer Nachbarin. Der Schütze wird später wegen versuchten Totschlags zu drei Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt. Er gilt als vermindert schuldfähig und wird in einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Bei einem Gerichtstermin in Trier gelingt Hans S. auf spektakuläre Weise die Flucht. Als er im Sommer 2000 wieder auftaucht, ist der Fall verjährt.

Das Kuriose: Er zieht mit seiner Ehefrau wieder in sein Haus im Altkreis Prüm, wo das Opfer immer noch wohnt. Als die Polizei am Tag von Kleins Verschwinden nach Oberlascheid kommt, ist das Ehepaar zu Hause. Sie wüssten nicht, wo Walter Klein sei, sagen sie den Beamten. Am Vorabend sei er gegen 22.30 Uhr nach Hause gekommen, „und morgens war das Auto weg“.

Die Prümer Polizisten kennen natürlich die Vorgeschichte, haben von Beginn im Hinterkopf, dass Kleins ehemaliger Peiniger etwas mit dem Verschwinden des Rentners zu tun haben könnte.
Als Kleins Wagen in Clerf gefunden wird, ist das Ehepaar plötzlich verschwunden. „Irgend etwas hat sie da aus der Bahn geworfen“, erinnert sich der seinerzeit für die Ermittlungen zuständige Staatsanwalt Eric Samel. „Ein spontaner Kurzurlaub“, hätten sie nach ihrer Rückkehr das kurzfristige Aufbrechen begründet. „Sie brauchten wohl die Zeit, um sich zu sortieren“, glaubt Samel heute.

Landkarte

Walter Klein bleibt verschwunden. Und so sehr sich die Ermittler auch anstrengen: Sie können Hans S. nicht nachweisen, etwas mit der Sache zu tun zu haben. Erst zwei Jahre nach dem Verschwinden des Rentners kommt Bewegung in den Fall.
Nachdem in der Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ über Walter Klein berichtet wurde, melden sich zwei Zeuginnen. Eine junge Luxemburgerin ist im Zeitraum des Verschwindens von Walter Klein in Clerf eine Frau aufgefallen, die aufgrund der Beschreibung „1:1 auf die Frau von Hans S.“ passt. „Für uns war das ein Indiz, dass wir mit unserer Vermutung richtigliegen“, erinnert sich der Oberstaatsanwalt heute.

Die aus Sicht der Staatsanwaltschaft wertvollste Zeugin ist eine 71-jährige Frau, die mit ihrem Lebensgefährten eine Zeitlang in dem Oberlascheider Anwesen gewohnt hat.
Nach Angaben der Frau hatte Hans S. im Sommer 2001 ihrem mittlerweile verstorbenen Lebensgefährten 10 000 Mark angeboten, wenn er Walter Klein umbringe. „Am nächsten Tag hat er mich dann noch einmal gefragt, ob wir auf das Angebot eingehen“, erinnert sich die Frau später auch im Prozess gegen Hans S. Die Zeugin und ihr Lebensgefährte zogen damals aus Oberlascheid weg, erst der Aktenzeichen-Beitrag rief die Erinnerung wieder in ihr wach.

Der Wagenfund – ein Zufall. Am 5. September 2007 kurz vor Mitternacht brettern zwei junge Männer mit ihrem Fahrzeug auf den auf einem Parkstreifen neben dem Clerfer Campingplatz abgestellten blauen Renault Walter Kleins. Das Auto ist anschließend schrottreif. Aber wie kam der Wagen dahin? Walter Klein fuhr eigentlich nie nach Luxemburg, wie eine Bekannte des Rentners später bei der Polizei aussagt.

„Es war das Puzzleteil, was uns noch gefehlt hat“, sagt Oberstaatsanwalt Eric Samel rückblickend. Am 21. April 2010, zweieinhalb Jahre nach dem Verschwinden von Walter Klein, wird Hans S. um 10.25 Uhr zu Hause festgenommen. „Nicht schlimm, ich bin bald wieder da“, soll er die Ehefrau noch beruhigt haben.