Filmcrews sind meist gern gesehene Gäste, ganz besonders in der Eifel.
Für Anwohner der Dreharbeiten gibt es - hinsichtlich ihrer Parkplätze - ein paar Einschränkungen, aber die Neugier überwiegt dann doch.
Wirtschaftsförderer und Touristiker freuen sich über den Bekanntheitsschub für die Region, manchmal macht sogar der Bürgermeister oder der Landrat seine Aufwartung am Set.

Soviel freundliche Aufmerksamkeit können die Mitarbeiter der UFA Show & Factual nicht erwarten. Das Unternehmen produziert seit 2016 im Auftrag von RTLZWEI die Reality-TV-Serie "Hartz und herzlich".
Inzwischen sind 17 Staffeln gesendet worden, die Quote stimmt offensichtlich. Drei Folgen wurden 2022 im "sozialen Brennpunkt" Trier-West gedreht.

Die Geißens von unten

Die Idee leuchtet auf Anhieb ein: Warum einmal keine Neureichen wie die Geißens, Promis oder Sprösslinge aus altem Adel mit ihren täglichen "Sorgen und Nöten" begleiten, sondern eine Gruppe am anderen Ende des sozio-ökonomischen Spektrums - Menschen am Rande des Existenzminimums?
Es sind die "sozialen Brennpunkte", Stadtviertel mit hoher Kriminalität und Arbeitslosigkeiten aber günstigen Mieten, in denen die TV-Redakteure ihre Protagonisten finden und mit einem Filmteam über mehrere Monate begleiten.
Als ein solcher Brennpunkt gilt seit einigen Jahren auch Trier-West (früher Pallien), gelegen am linken Moselufer gegenüber der Trierer Innenstadt. Im Westen wird der Stadtteil durch die zur Eifel zählenden Moselhöhen begrenzt.

Eine gute Marge

Auf der eigenen Webseite betont RTLZWEI, die Sendung eigne sich für Zuschauer, denen gesellschaftlich relevante Themen wie zum Beispiel Armut sehr am Herzen liegen.
Besonders sehenswert seien die persönlichen Einblicke in den Alltag der Menschen, die in den jeweiligen Folgen begleitet werden und deren Stimmen abseits dieses Formats viel zu selten gehört werden.

Formate wie "Hartz und herzlich" können vergleichsweise günstig produziert werden - keine Stunts und Special Effects, keine überzogenen Gagenforderungen oder hohe Preisgelder ("Wer wird Millionär?").
Andererseits garantiert ein hohes Zuschauer-Interesse über viele Folgen hinweg eine respektable Quote - was will man mehr?

TV-Kritik

Die Mehrzahl der Zuschauer findet die Serie offenbar unterhaltsam, alle anderen - vor allem TV-Kritiker und Anwohner - sind entsetzt.
„Bloßstellung, Inszenierung und Falschaussagen" sind die eher harmlose Bezeichnungen. Es gibt offene Briefe voller Vorwürfe an RTLZWEI:
Mitarbeiter der Produktionsfirma hätten sich geschickt in die Gemeinschaft eingeschlichen und alle über ihre wahren Motive getäuscht. Sie suchten offensichtlich gezielt nach Menschen am Rande unserer Gesellschaft und wurden fündig...

Die Otto-Brenner-Stiftung der IG Metall veröffentlichte ein Diskussionspapier von Prof. Bernd Gäbler mit dem Titel "Wie das Fernsehen die Unterschichten vorführt".

»Wenn alle sich aufregen, müssen wir etwas richtig machen«

Konstanze Beyer, RTLZWEI-Chefredakteurin, ficht das nicht an: "Gemessen daran, wie viele Menschen in Deutschland in prekären Verhältnissen leben, nehmen sie im TV-Programm insgesamt noch viel zu wenig Raum ein." Man würde mit den Sozialreportagen eine weit verbreitete soziale Realität zeigen, die vielen Teilen der Bevölkerung unbekannt sei.

Zitate

• Schaltet den Fernseher aus und schaut euch an, was wirklich bei uns los ist.
Ortsbeirat von Trier-West

• „Menschenzoo“ und „Elendstourismus vor laufender Kamera“
Hans Hoff, Journalist

• Sie haben Verein und Ort samt Bewohner in Ihrer Sendung für Ihre Quotenziele instrumentalisiert.
Interessengemeinschaft Hohenbudberg Eisenbahnsiedlung

Bewertung:   3,4/10  IMDb


*** Trier ***

erstreckt sich auf beiden Seiten der Mosel und gehört daher genau genommen nur teilweise zur Eifel. Bei der ältesten Stadt Deutschlands - von den Römern vor über 2.000 Jahren als »Augusta Treverorum« gegründet, reichlich bestückt mit deren Baudenkmälern und ausgezeichnet als UNESCO-Welterbe - sollte man das aber nicht zu eng sehen.

In Trier residierten zeitweise römische Kaiser, hier entstand einer der ersten Bischofssitze nördlich der Alpen. Franken und Hunnen eroberten die Stadt, später fielen sogar die Wikinger ein. 1512 fand in Trier ein Reichstag statt, ein paar Jahrzehnte später brannten die Scheiterhaufen nach zahlreichen Hexenprozessen.

Ein gemütlicher Ort, um in aller Ruhe seinen Moselwein zu genießen (den natürlich auch die Römer mitgebracht hatten), scheint Trier in vielen Perioden seiner langen Geschichte nicht gewesen zu sein.
Das hat sich heute glücklicherweise geändert - die Stadt ist zu einem regelrechten Touristen-Hotspot geworden. Dabei sind die Interessen durchaus verschieden: Chinesische Gruppen besuchen beispielsweise besonders gern das Geburtshaus von Karl Marx.

Bewertung:   4,8/5  Tripadvisor

Sozial-Reportage

RTL22022


Produktion: UFA Show & Factual
Sendungen: 17 Staffeln von 2016 bis 2022



Trier