»W as machen Sie denn da?«
Christine Lang ist 68 Jahre alt, aber sie steht jeden Morgen ab 7.00 Uhr in ihrem Tabakladen in Kall.
An diesem 26. April 1976 wird es das letzte Mal sein.

Den Mann, der vor 2 Minuten den Laden betreten hat, kennt sie flüchtig: Nicht gerade ein Stammkunde, aber ein paar Mal hatte er schon Zigaretten bei ihr gekauft.
Heute betrachtet er aber nicht die Auslage, sondern hat die Kasse geöffnet und stopft sich das Wechselgeld in die Taschen.

Ein tödlicher Fehler

Bis jetzt ist es nur ein einfacher Diebstahl, viel Geld befindet sich am frühen Morgen eh nicht in der Kasse, es ist inzwischen kurz nach acht.
Aber Christine Lang begeht einen tödlichen Fehler: Sie rennt auf den Mann zu, will ihn von der Kasse wegziehen.

Der Mann hat plötzlich einen Revolver in der Hand und schlägt ihr mit dem Knauf mehrfach auf den Kopf, danach benutzt er den Heizungsradiator. Das Opfer liegt am Boden, stöhnt kaum hörbar. Der Täter beschließt, die Sache zu Ende bringen.
Er benutzt seinen Hosengürtel und stranguliert sein Opfer.

Strangulations-Werkzeug

Schneller Zugriff

Wenig später steht ein Zigarettenlieferant vor dem Geschäft und wundert sich darüber, dass die Eingangstür zu dieser Zeit verschlossen ist. Er lugt auf Zehenspitzen durch das kleine Glasfenster und sieht Christine Lang regungslos am Boden liegen. Nachbarn verständigen die Polizei, die noch am gleichen Tag die Bevölkerung per Lautsprecherwagen zur Mithilfe aufruft. Im neuen Feuerwehrgerätehaus von Kall richtet die Kripo eine provisorische Einsatzzentrale ein, die Staatsanwaltschaft Aachen setzt eine Belohnung von 3.000 Mark für Hinweise auf den flüchtigen Täter aus.

Dann geht alles ganz schnell: Noch am Abend des Mordes wird um 19.50 Uhr ein Mann aus Keldenich festgenommen, einem Ortsteil von Kall. Der Zugriff erfolgt auf seiner Arbeitsstelle, den Rheinischen Kalkwerken in Sötenich, das ebenfalls zu Kall gehört.

Die Polizei verdankt ihren schnellen Erfolg einem Zecher in der Bahnhofsgaststätte. Dem waren Blut- und Lehmspuren an einem Mann aufgefallen, der sich dort am Vormittag ein Bier bestellt.
Seine Personenbeschreibung und die Erkenntnisse der Kripo Schleiden über vorherige Straftaten führten letztlich zur Verhaftung des Täters.

Das Urteil

Im Januar 1977 wirde der Mörder vom Schwurgericht der 1. Strafkammer am Landgericht Aachen zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht begründet das Urteil mit dem brutalen Vorgehen des Täters. Er habe bereits vor der Tat den Entschluss gefasst, seinen Diebstahl aus der Ladenkasse gegebenenfalls durch Mord zu vertuschen.

Der Chronist

Kapitalverbrechen sind in Kall eigentlich nichts Besonderes. Der Mord an Christine Lang aber ruft Entsetzen in der Bevölkerung hervor, auch unter den Nichtrauchern.
Es ist zum einen die beispiellose Brutalität des Verbrechens, zum anderen war das Opfer in Kall fast allen bekannt.

Wer heute Einzelheiten der Tat im Internet recherchieren will, wird bei Google und anderen Suchmaschinen auf keine Treffer stoßen. Die Lokalpresse hat ihre Ausgaben aus den siebziger Jahren offenbar noch nicht digitalisiert und ins Netz gestellt.
Diese Lücke schließt Hubert Büth mit seiner über 600 Seiten starken Text- und Bildchronik "Kall im Spiegel der Geschichte".
Der geborene Kaller arbeitete Jahrzehnte in der Verwaltung verschiedener Eifelgemeinden, zuletzt als Gemeindedirektor in Dahlem. Nach seiner Pensionierung startete er das Projekt "Heimatforschung" und schrieb schließlich - auf Wunsch vieler Kaller - die Geschichte seines Heimatortes auf. Die Chronik wurde 2014 veröffentlicht, unterstützt von einer Reihe Kaller Unternehmen und der NRW-Stiftung Natur - Heimat - Kultur.


*** Kall ***

dürfte sich im Wettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden« nur geringe Chancen ausrechnen, zumindest was den Kernort angeht. Im Vergleich zu Monschau, Bad Münstereifel, Reifferscheid oder Kommern - um nur einige prominente Beispiele in der Nordeifel zu nennen - kann das Zentrum Kalls weder mit romantischen Fachwerk-Ensembles, noch mit Burganlagen aufwarten. Auch Top-Restaurants oder 4-Sterne-Hotels sucht man hier vergeblich, dafür gibt es das einzige McDonald´s weit und breit, viele Supermärkte und Discounter und eines der größten Möbelhäuser bundesweit.

Für Touristen deutlich interessanter sind die Außenorte der Gemeinde: Keine Discounter, aber diverse Hinterlassenschaften der Römer, darunter Reste der Wasserleitung nach Köln, Burganlagen in unterschiedlichem Erhaltungszustand und vor allem die "Eifelbasilika" in Steinfeld mit angeschlossenem Kloster, Hotel und Gymna­sium.

Lage ist nicht alles

Die - auf den ersten Blick - geringe touristische Strahlkraft verdankt Kall paradoxerweise seiner günstigen Verkehrslage: Der Ort war früher einmal so etwas wie der »Eisenbahn-Knotenpunkt« der Nordeifel mit der entsprechenden militärischen Bedeutung im ersten und Zweiten Weltkrieg. Das haben leider auch die alliierten Bomberflotten so gesehen und den Ort durch schwere Angriffe gegen Kriegsende beinahe dem Erdboden gleichgemacht. Im »kalten Krieg« wurde auf Gemeindegebiet - und natürlich unter strikter Geheimhaltung - der atombombensichere Regierungsbunker der NRW-Landesregierung errichtet und später an eine Familie verkauft, die ihn als Dokumentationszentrum aufrechterhält und Führungen anbietet.

Sanfter Tourismus

Heute punktet Kall vor allem mit den Themen »Natur« und »Wandern«: Gelegen im Naturpark Nordeifel und angrenzend an den Nationalpark Eifel kreuzen das Gemeindegebiet eine Reihe von bekannten Wanderrouten, z.B. eine Etappe des »Eifelsteigs« (Aachen-Trier), der Römerkanal-Wanderweg (Nettersheim-Köln) und diverse andere Themen-Routen. Auch eine Vielzahl von Radwander- und Mountain-Bike-Strecken sind in Kall ausgewiesen, u.a. die Eifel-Höhen-Route und die Tälerroute.

Bewertung:   4,2/5  Tripadvisor