E s sieht ganz nach einem Action-Streifen aus, der wieder mal in der Eifel gedreht wird:
Ende Juni 2003 steuert eine ganze Flotte ziviler Limousinen und Polizeifahrzeuge kurz nach 9 Uhr die Osmanische Herberge in Sötenich an. Bewaffnete Beamte von Sondereinsatzkommandos (SEK), der Bonner Polizei und des Bundeskriminalamts springen aus den Fahrzeugen und dringen blitzartig in die Gebäude ein.
Eingangstüren werden aufgebrochen, Fenster eingeschlagen, die Gebäude durchsucht. Aber wo bleibt die Filmcrew, wo stehen die Übertragungswagen und das Catering?

Razzia in der Osmanischen Herberge

Die Nachbarn hatten sich schon gefreut, ganz unerwartet die Dreharbeiten zu einem neuen Eifelkrimi aus nächster Nähe beobachten zu können - live und in Farbe.
Die Anweisungen zu diesem spektakulären Einsatz kamen jedoch nicht vom Regisseur, sondern von Generalbundesanwalt Kay Nehm, und der witterte "Gefahr in Verzug". Ein positiver Nebeneffekt für die Anwohner: Man hatte nicht, wie sonst bei Filmaufnahmen üblich, im Umfeld die Parkplätze gesperrt.

Der 11. September liegt nicht lange zurück - sollte da eine islamistische Terrorzelle in der ruhigen Nordeifel aufgebaut werden? Offenbar gab es Hinweise, und der Bundesstaatsanwalt wollte wohl nichts anbrennen lassen...

„Brüder im Nebel“

Religionswissenschaftler hätten wahrscheinlich darauf hingewiesen, dass die Sufis als die Hippies im Islam gelten, der Mystik weit eher zugetan als irgendwelchen Sprengstoffanschlägen - eben durch und durch pazifistisch gesinnt. Aber die Experten hat man vorher nicht gefragt.
So konnten die Verdachtsmomente nicht erhärtet werden, einen Tag später sind alle 13 verhaftete Sufis wieder auf freiem Fuß. Sufi-Chef Sheik Peter Hassan Dyck war am Flughafen bei der Rückkehr aus dem Urlaub abgefangen worden und wusste gleich, wem er den SEK-Besuch zu verdanken hat:
Es seien die Phantasien eines verwirrten Bruders aus dem Naqschbandi-Orden gewesen. Wie beruhigend, dass nicht nur die katholische Kirche damit Probleme hat - vgl. Geheimakte "Brüder im Nebel" beim Kölner Kardinal!

Wie es in Sötenich weitergeht

Auf Filmcrews hat man in Sötenich noch lange warten müssen, auf echte spektakuläre Verbrechen aber nicht:
Ab 2008 macht der "Eifel-Sniper" aus dem Nachbarort Frohnrath die Autobahnen unsicher, im Januar 2012 erschießt der Chef des lokalen Autohauses seinen Kumpel im Werkstattkeller.
Diese Gelegenheit lassen sich die Sötenicher nicht entgehen, das ganze soll schließlich nicht wie ein schnöder Betriebsunfall aussehen. Einige helfen dabei, die Blutspuren zu beseitigen (nein, nicht die Sufis), andere versenken die Tatwaffe im Urftsee und lagern die Leiche auf einem Anhänger zwischen, bevor sie auf einer Müllhalde entsorgt wird.
Soviel dörflicher Zusammenhalt ist dem WDR eine eigene Dokumentation wert ("Leiche im Anhänger") - endlich Dreharbeiten!

Bis zum nächsten Kapitalverbrechen hat´s dann wieder etwas gedauert - bei einem Dorf mit 1.000 Einwohnern durchaus verständlich:
Am 17. Oktober 2019 erschlug ein 27jähriger Drogensüchtiger seine Großmutter; angeblich glaubte er, dass sie ihn vergiften wollte.
Bei der Verschleierung der Tat half dann aber niemand mit, genauso wie anderthalb Jahre später, als eine Messerattacke in Kall-Wallenthal einem Mann das Leben kostet.
Dennoch eine beachtliche Inzidenz in der dünn besiedelten Nordeifel, Fortsetzung folgt...


*** Sötenich ***

ist ein Ortsteil der Gemeinde Kall, hat etwa 1.000 Einwohner und wurde zu Zeiten der Römer unter dem Namen „Suetoniacum“ gegründet. Eine 2.000jährige Geschichte ist für die Eifel noch nicht einmal etwas Besonderes.

Zu Fuß erreichen die Sötenicher den Kaller Bahnhof in einer viertel Stunde und von dort aus mit dem Zug den Kölner Hauptbahnhof in 60, Trier in 100 Minuten – wirklich abgelegen ist das Dorf also nicht.

Zu den touristischen »Highlights« zählen die Reste der römischen Wasserleitung, die Köln mit frischem Eifelwasser versorgte, und die Ruine der Stolzenburg, oberhalb des Urfttals am Römerkanal-Wanderweg gelegen.

Das auffälligste Bauwerk in Sötenich ist allerdings das alte Zementwerk, das in den letzten Jahren mehrfach den Beisitzer gewechselt hat und nur noch eine Handvoll Arbeitsplätze bietet.