D er 20-jährige Frank Lehmann (Frederick Lau) wohnt noch bei seinen Eltern in der „Neuen Vahr“, einem gesichtslosen, spießbürgerlichen Bremer Neubauviertel. Es ist das Jahr 1980, und Frank wird zur Bundeswehr einberufen, weil er einfach vergessen hat zu verweigern.
Er rebelliert gegen den Stumpfsinn des Grundwehrdienstes, trifft in der WG seines Schulfreunds Martin (Eike Weinreich) auf kleinbürgerliche Revoluzzer und verguckt sich in die Studentin Sibille (Miriam Stein), die für Soldaten wenig übrig hat.

Mit lakonischem Humor lässt Regisseurin Hermine Huntgeburth die frühen 80er-Jahre wiederaufleben und demaskiert dabei alle ideologischen Fassaden. Film und Roman spielen übrigens zeitlich vor Regeners ebenfalls verfilmtem Bestseller „Herr Lehmann“.

Dreharbeiten

Der Film unter der Regie von Hermine Huntgeburth („Effi Briest, „Die weiße Massai“) spielt eigentlich in Bremen, wurde teilweise aber auch in Mechernich und Köln gedreht. Bei der Wahl der Drehorte haben sicherlich die beträchtlichen Zuschüsse aus der NRW-Filmförderung geholfen - die Kasernenszenen sollten auf „Bremen-fremdem“ Terrain gedreht werden.

Schließlich hatte die Bleibergkaserne in Mechernich sowohl die Freiherr-von-Gersdorff-Kaserne in Euskirchen als auch einen Bundeswehrstandort in Köln-Wahn ausgestochen. Ausschlaggebend dabei war, so Produktionsleiter Eckart Lippens, dass hier viele leer stehende Gebäudekomplexe genutzt werden konnten, ohne den alltäglichen Kasernenbetrieb zu stören.
Man sei überdies mit sehr viel Hilfsbereitschaft in Mechernich empfangen worden.

Filmkritik

• Nostalgie wird hier groß geschrieben... alles andere aber leider eher kleiner. Der Sympathiefaktor ist zwar sehr hoch, kann aber letztendlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Film eigentlich die ganze Zeit nur vor sich hinplätschert.
Teezy123

• Bemühter Versuch Regners Romanvorlage gerecht zu werden. Hin und wieder gut gelungen, aber viele Male wirken Szenen gehetzt und oberflächlich. Hauptcharaktere hätte besser entwickelt werden können, und mancher Dialog wirkt halt nur gelesen.
m.laterne

• „Neue Vahr Süd“ lebt neben den lustvoll zugespitzten, skurrilen Charakteren von den schrägen, oftmals absurden Situationen, die der Zeitgeist und die Sven Regener schrieben. Der Macho-Drill beim Bund, die verdrehten Politvokabeln der Studenten, das wilde Abhängen in der Abbruch-WG.
Rainer Tittelbach

• Lange habe ich mich gescheut diesen Film anzusehen, da das Buch zu meinen Favoriten gehört. Im Endeffekt gefällt mir diese Umsetzung sogar besser als die des "Herr Lehmann", denn sie wirkt authentischer. Das fängt beim gelungenen, zeitlich passenden Soundtrack an und hört bei den Schauspielern auf.
PhantomGestalt

Bewertung:   6,7/10  IMDb


*** Mechernich ***

Die Stadt Mechernich im Kreis Euskirchen besteht aus 44 Ortschaften mit insgesamt rund 27.000 Einwohnern. Urkundlich erwähnt wurde sie erstmals im Jahr 1308, der (Blei-)Bergbau etwa 90 Jahre später. Er sollte über viele Jahrhunderte die wirtschaftliche Grundlage der ganzen Region bilden, ist aber heute - Jahrzehnte nach seinem Ende - immer noch ein Aufreger und gut für eine Schlagzeile in der Lokalpresse, wenn wieder mal bei einer Bodenuntersuchung im Neubaugebiet eine zu hohe Bleibelastung festgestellt wird.

Während der Zentralort - mit Ausnahme des Bergbaumuseums mit Besucherbergwerk „Grube Günnersdorf - kaum touristische Highlights zu bieten hat, weisen die umliegenden Dörfer umso mehr Sehenswürdigkeiten auf:
Eine der besterhaltenen Wasserburgen in Satzvey, Mittelaltermärkte und Ritterspiele inklusive, der historische Ortskern von Kommern mit dem Freilichtmuseum und dem Hochwildpark Rheinland gleich nebenan, der Kakushöhle in Dreimühlen, in der schon die Neandertaler ihr Mammutsteak gegrillt haben, oder die Erlebniswelt Eifeltor, ein 500.000 m² großer Park mit Sommerrodelbahn.

Als "Nationalpark-Stadt" ist Mechernich Ausgangs- und Endpunkte für Wanderungen und Radtouren, gut angeschlossen an den öffentlichen Nahverkehr mit einem eigenen Bahnhof an der Eifelstrecke Köln-Trier.

Die große Flut

Seit dem 14. Juli 2021, dem Tag der großen Eifelflut, fahren keine Züge mehr in den Bahnhof Mechernich ein. Das Wasser hat den Fahrdamm an vielen Stellen unterspült, einige Brücken sind nicht mehr befahrbar.
Die gesamte Eifelstrecke wird erst wieder im Sommer 2023 durchgängig befahrbar sein, die Planer der Deutschen Bahn greifen auf ihre Erfahrungen beim Projekt "Stuttgart 21" zurück, um die Reparaturen zu beschleunigen.
Die Schäden an der städtischen Infrastruktur werden auf zwölf Millionen Euro geschätzt, 30 von 44 Ortschaften sind betroffen. Bei Privathäusern, Geschäften und Betrieben ist die Summe noch weitaus höher.
Dennoch schätzen sich die Mechernicher glücklich, dass es unter ihnen - anders als in vielen Nachbarorten der Eifel - keine Toten und Verletzten gegeben hat.

Auch manche touristischen Ziele haben mehr von der Flut gesehen, als ihnen gutgetan hätte: So standen große Teile der Burg Satzvey unter Wasser, die Pferdeausrüstung wurde fast komplett zerstört, ein Teil der Ställe ist einsturzgefährdet und der Turnier / Reitplatz, der vor zwei Jahren erst komplett neu angelegt wurde, existiert einfach nicht mehr.
Mit Unterstützung vieler freiwilliger Helfer wurde der Wiederaufbau in Angriff genommen und so die Burgweihnacht 2021 gerettet.

Bewertung:   4,1/5  Tripadvisor

Tragikomödie

ARD  2010


Regie: Hermine Huntgeburth
Produktion: Studio Hamburg Produktion, WDR
Darsteller: Frederick Lau, Eike Weinreich, Miriam Stein, Hinnerk Schönemann