E s war eine beispiellose Serie von über 700 Anschlägen auf Lastwagen auf deutschen Autobahnen:
Zwischen 2008 und 2013 beschoss der übergewichtige Brummi-Fahrer Michael Harry K. aus Kall-Frohnrath andere LKWs aus seinem eigenen Führerhaus.

Glücklicherweise zielte er nicht auf die Fahrer, sondern auf die Ladungen. Dennoch wurden - sozusagen als Kollateralschaden - zwei Frauen bei den Schüssen schwer verletzt: Eine kam in ihrem Auto von der Straße ab und prallte gegen die Mittelleitplanke, die andere wurde in ihrem Auto am Hals getroffen.

Die Nadel im Heuhaufen

Mehr als vier Jahre ermittelte die Polizei in dem mysteriösen Fall. Es gab lange keine heiße Spur, kaum Hinweise. Da die Schüsse immer auf Autobahnstrecken abgegeben wurden, ging die Polizei davon aus, dass der Täter wohl beruflich viel unterwegs sei, beispielsweise als Bus- oder LKW-Fahrer. Es lag daher nahe, Mautdaten auszuwerten, die aber - dank deutschem Datenschutz - zunächst nicht zur Verfügung standen.

Die Jagd auf den Autobahn-Sniper entwickelte sich als zu einer Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Die Fahnder installierten sieben Kennzeichen-Lesegeräte entlang der besonders betroffenen Strecken. Außerdem wurden in einem besonders betroffenen Abschnitt 17 500 Verbindungsdatensätze bei Telekom, Vodafone und O2 angefordert. Aus Rufnummern von 30 verschiedenen Nationen, die zum Tatzeitpunkt in der Funkzelle des Tatorts eingeloggt waren, wollten die Ermittler die verdächtigen Teilnehmer herausfiltern – und fanden tatsächlich sieben Nummern, die auch bei anderen Fällen festgestellt wurden.

Als sich der Verdacht gegen den Lkw-Fahrer aus der Eifel erhärtet hatte, beschlagnahmte die Soko „Transporter“ dessen Mautabrechnungen und verglich sie mit den gemeldeten Schüssen auf Autotransporter. Volltreffer! Minutiös ließ sich nachweisen, wo Michael K. beispielsweise am 10. November 2009 auf seiner Fahrt von Oberbayern nach Unterfranken geschossen hatte.

Nach Angaben der Ermittler hat Micha K. aus Frustration auf Laster und Autos geschossen und „Ärger und Frust im Straßenverkehr“ als Motiv für seine Taten genannt.
Wenn das Schule macht, bekommen wir in Deutschland ein großes Problem...

Der Wolf im Schafspelz

Nachbarn und Kollegen reagierten nach der Festnahme schockiert und ratlos. Sie kennen den 57-jährigen Fernfahrer als zuverlässigen und hilfsbereiten Menschen.
So kennen die betagten Nachbarn den Täter und seine Frau recht gut, immerhin leben sie seit fast 20 Jahren nebeneinander: „Ich bin platt. Das hätte ich nicht gedacht. Der war so vertrauenswürdig. Sie waren freundlich und hilfsbereit.“
Ähnlich äußert sich sein Chef, der Geschäftsführer einer Spedition im 25 km entfernten Kalterherberg. Micha K. fuhr seit zwölf Jahren für ihn. „Er war ein guter, zuverlässiger Mitarbeiter. Ich kann überhaupt nichts Negatives sagen“, erzählt Kreutz. Kein lauter, aggressiver Typ, sondern ein „angenehmer, respektierter Kollege“ – und einer der wenigen, die sich nach einer Feier per Handschlag verabschiedeten.

Waffen-Ausbildung im DDR-Knast

Michael Harry K. war 1978 in der DDR zu 14,5 Jahren Haft verurteilt worden, weil er Autos gestohlen hatte. In der JVA Brandenburg hatte er dann Waffen verzieren müssen, die Staatschef Erich Honecker an ausländische Staatsgäste verschenkte. Durch eine Amnestie im Rahmen des Gefangenenfreikaufs kam er vorzeitig frei und siedelte in den Westen über.
Die berufliche Qualifizierung im Knast hatte also geklappt, die Resozialisierung weniger. Es bleibt abzuwarten, welche Chancen ihm der gesamtdeutsche Strafvollzug eröffnet.

Im Oktober 2014 sprach das Landgericht Würzburg den 58 Jahre alten Fernfahrer schuldig wegen vierfachen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und verurteilte ihn zu zehneinhalb Jahren Haft.
Wer Taten und Strafmaß in den beiden deutschen Staaten vergleicht, wird feststellen - heute wird durchaus milder geurteilt.


*** Frohnrath ***

ist ein Ortsteil der Gemeinde Kall und hat knapp 150 Einwohner. Touristische Sehenswürdigkeit sind dort nicht verzeichnet, wohl aber ein Windpark, der bei den Anwohnern seit Jahren für viel Ärger sorgt und die lokale Politik immer wieder beschäftigt.

Wer etwas sehen oder erleben will, fährt nach Schleiden oder nach Kall-Sötenich, wo die Reste der römischen Wasserleitung besichtigt werden können, die Köln mit frischem Eifelwasser versorgte, und die Ruine der Stolzenburg, oberhalb des Urfttals am Römerkanal-Wanderweg gelegen.

Das auffälligste Bauwerk in Sötenich ist allerdings das alte Zementwerk, das in den letzten Jahren mehrfach den Beisitzer gewechselt hat und nur noch eine Handvoll Arbeitsplätze bietet.