F rühsommer 1948, kurz vor der „Stunde null“: Noch gibt es die meisten Lebensmittel nur auf dem Schwarzmarkt, der Duft echten Kaffees ist so kostbar wie seltenes Parfüm. Adenauer verspricht im Radio die Rückkehr der Kriegsgefangenen und die Wiedervereinigung Deutschlands.
Die Demontage von Betrieben der Montanindustrie ist in vollem Gang. Wie soll so ein Bruttosozialprodukt zustande kommen?
Stabile Einnahmen produziert allein das älteste Gewerbe der Welt; für manche Kriegswitwe ist es neben dem Nähen für die Nachbarschaft die einzige Chance, an Geld zu kommen.

Am 21. Juni 1948 bilden sich in der Kleinstadt Altena im Sauerland, damals Teil der britischen Verwaltungszone, lange Schlangen vor der örtlichen Bank. Die D-Mark wird eingeführt, und jeder Bürger erhält druckfrische 40 Mark auf die Hand – für Viele die Chance auf einen Neuanfang.
Auch vor dem Fabrikanten-Ehepaar Christel und Eduard Wolf (Katja Riemann und Thomas Sarbacher) und ihre Töchter Ulla, Gundel und Margot (Elisa Schlott, Vanessa Loibl und Anna Maria Mühe) stehen schlange. Vor ihnen liegt der Aufbruch in eine neue Zeit und die Hoffnung darauf, endlich wieder des eigenen Glückes Schmied zu sein.

In dem Dreiteiler „Unsere wunderbaren Jahre“ nach einem Roman von Peter Prange werden die Nachkriegsjahre 1948 bis 1954 als Familiengeschichte, Wirtschaftswunderbewegung und Frauenemanzipationsanstrengung ausgebreitet.
Es ist eine Geschichtsstunde in Form eines fiktionalen TV-Formats, die von der Wirtschaftsreform bis zur Wiederbewaffnung, von der Verdrängung bis zum Zukunftsoptimismus reicht.

Dreharbeiten

Der Serie wurde Anfang April bis Ende Juli 2019 an 73 Drehtagen in Nordrhein-Westfalen und Tschechien gedreht.
Zentrale Drehorte waren Stolberg, die Burg Altena und die Gesenkschmiede Hendrichs in Solingen. Auch Hallen des ehemaligen Unternehmens C. Grossmann Stahlguss dienten als Kulisse. Das Eisenbahnmuseum Dieringhausen doubelte den Bahnhof Altena. Auf Schloss Burg wurden die Szenen des britischen Militärgerichts gedreht, viele Straßenszenen in der Altstadt von Pilsen.

Bei Abels an der Burgstraße in Stolberg gibt es wieder Brötchen - zumindest im Film. In „Unsere wunderbaren Jahre“ ist die heutige WG die Bäckerei und Conditorei Linz. Die steht im Juni 1948 in den Tagen der Währungsreform im westfälischen Altena an der Lenne. Gedreht werden nicht nur Außenaufnahmen, sondern auch Szenen innerhalb der Gebäude in der Altstadt - die haben eigens Gardinen verpasst bekommen. Mit kleinem Aufwand wurden die historischen Gebäude in die Zeit vor sieben Jahrzehnte versetzt, obwohl sie heute viel schmucker sein dürften, als sie es damals waren.

Filmkritik

Die Zuschauer sind größtenteils von dieser WDR-Serie begeistert, umgesetzt von UFA Fiction - die Kultur-Redakteure von FAZ und Zeit leisten sich einen Verriss:

• Spannend, dicht, realistisch - und lädt zum Nachdenken ein. Diese Serie erzählt eine Menge über die Bundesrepublik Deutschland. Warum sind wir geworden, wie wir sind? Schauspielerisch exzellent und auch visuell ein Highlight.
Ricardo

• Die Inszenierung punktet mit kraftvollen Bildern & beeindruckender Ausstattung, ist auch nicht nur mit Stars aus der ersten Reihe besetzt und größtenteils sehenswert gespielt.
Thomas Gehringer, Tittelbach.tv

• So viel Drama bei der Familiengeschichte: Drei Töchter, die ein Unternehmen zu wuppen haben und das in der Nachkriegszeit trotz eines Gegenspielers, der zum Verbündeten wird. Beziehungen, alte Sünden, Geld, Waffen und Träume für die Zukunft. Sehr viel Stoff für einen Dreiteiler, leicht überfrachtet, wie es die Deutschen so gern machen. Aber sehr sehenswert.
Holger Nickel

• "Stunde Null", Währungsreform und Verliebtsein im Nachkriegsdeutschland: Der ARD-Dreiteiler "Unsere wunderbaren Jahre" ist ein geschichtsklitterndes Machwerk.
Matthias Dell, Die Zeit

Bewertung:   6,8/10  IMDb


*** Stolberg ***

Die Wiege der Industrie: Dieses Motto wirkt auf der Tourismusseite einer deutschen Stadt befremdlich - Stolberg kann es sich leisten!
Als Teil der Städteregion Aachen mit etwa 60.000 Einwohnern, gleichzeitig aber auch schon in der Eifel gelegen, blickt Stolberg aufgrund seiner Bodenschätze auf eine mehrere Jahrhunderte lang währende Tradition in der Metallverarbeitung zurück und bezeichnet sich selbst offiziell als »Kupferstadt«.
Im Schatten einer Burg aus der Zeit nach 1100 siedelten sich ab der Mitte des 15. Jahrhunderts Handwerker an, die Eisen, Kupfer, Blei, Gold und Silber verhütteten. Um 1600 gestattete der Burgherr von Effern protestantischen Kupfermeistern aus Aachen die Übersiedlung in sein Gebiet, Kenntnisse der Messingherstellung mitbrachten.

Der Rittersaal der Burg dient heute kulturellen Veranstaltungen, offiziellen Empfängen und öffentlichen Sitzungen des Stadtrates.
Unterhalb der Burg liegt die Altstadt, die ein lebendiges Zeugnis der Baukultur der Vergangenheit darstellt. Der historische Bereich von Stolberg gehört deshalb auch zu den bedeutenden historischen Stadtkernen in Nordrhein-Westfalen und wird gerne als Film-Kulisse genutzt.

Die große Flut

In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 wird aus dem Vichtbach ein reißender Fluss, aus der Rathausstraße in der Stadtmitte von Stolberg eine Trümmerwüste mit Löchern bis fast zehn Meter Tiefe.
Das Rathaus mit dem Stadtarchiv wird geflutet, der Stadtrat denkt über einen Neubau nach – Kosten 45 Millionen Euro. Insgesamt werden 20 städtische Gebäude zerstört, darunter auch drei Feuerwehrgerätehäuser. Bis zu 5.000 Wohnungen sind zunächst unbewohnbar, Autos weggespült, Restaurants, Geschäfte und Werkstätten verwüstet.

Auch die Metallindustrie in der alten Kupferstadt hat es böse erwischt - die Flutwelle stand 2,20 m in den Fertigungshallen.
Aber aufzugeben war keine Option: Nach wenigen Wochen war die Produktion wieder angefahren; die meisten Unternehmen hatten nach sechs Monaten ihre volle Kapazität erreicht.

Bewertung:   4,2/5  Tripadvisor

TV-Serie, Zeitgeschichte

WDR  2020


Regie: Mira Thiel, Elmar Fischer
Produktion:  UFA Fiction, Mia Film, Degeto
Darsteller: Elisa Schlott, Vanessa Loibl, Anna Maria Mühe